Mehrschichtmalerei
Trennung von Form und Farbe beim Ölgemälde
Die schon im Mittelalter übliche, vor allem von Jan van Eyck entwickelte und bis Tizian gebräuchliche Maltechnik der Trennung von Form und Farbe, ermöglichte die Bildgestaltung auch in Werkstätten als machbaren handwerklichen Prozess. Die Technik erlaubt eine äußerst naturnahe und detailgetreue Darstellung von Formen und wurde deswegen auch in der Moderne von Surrealisten wie Dali verwendet.
Nach einer Risszeichnung, die vom Meister angefertigt und - meist von einem Lehrling - auf die Bildfläche (mit Kreidegrund weiß grundierte Holztafel oder mit dünnem Leinen bespannte Holztafel) übertragen wurde, wurde die Schattenform entwickelt. Dies geschah mit Eitemperafarbe, z.B. Siena, Ultramarin oder Schwarz, je nach gewünschtem Effekt - heute nimmt man oft Japantusche dazu. Als nächster Arbeitsschritt erfolgt ein erster dünner, durchscheinender Überzug, die Lasur, aus magerer Harzölfarbe zur Entwicklung eines sogenannten Mitteltones und Gesamttones. Diese erste Schicht heißt Imprimitur. Der Gesamtton bestimmt den späteren Bildcharakter, ob kalt oder warm, gedämpft oder dunkel, etc. Der Mittelton, der zwischen dem dunkelsten und dem hellsten Ton des Bildes liegt (es handelt sich oft um eine Erdfarbe, bei Dürer z.B. Ocker, oder bei Bartholomäus Bruyn eine grüne böhmische Erdfarbe) gestattet die nun folgende Entwicklung der Form durch das und im Licht, die sogenannte Weißhöhung. Mit weißer Tempera wird das Licht gemalt, es entsteht die Plastizität und Dreidimensionalität des Bildes. Der Wechsel von Lasur und Weißhöhung erlaubt ein behutsames Entwickeln des Bildes und ermöglicht viele Korrekturschichten. Es können so Bilder von großer Tiefe und innerer Lebendigkeit gemalt werden. Von Tizian wie auch von Stefan Lochner weiß man, dass sie bis zu 150 Schichten auftrugen, in Lochners Fall z.T. sogar noch mehr. Der Abschluss dieser formalen Seite des Bildes wird auch Grisaille genannt, bis zu diesem Punkt hat das Bild im wesentlichen erst Ocker, Schwarz und Weiß als Farben. Die Technik der Trennung von Form und Farbe wird heute nur noch von wenigen Künstlern beherrscht. Beispiele sind der Kreuzweg von Georg Esser und im 20. Jahrhundert das Oeuvre von Egon von Vietinghoffs Ölgemälden.
Erst jetzt erfolgt die tatsächliche Farbgebung durch Farblasuren in Öl- oder Öl-Harz-Farbe in zum Teil mehreren Schichten und Lagen bis zur Vollendung des Bildes. Zunächst wird mit Leinöl oder Dammar ein Firnis aufgetragen (der sogenannte Zwischenfirnis), der in 4-5 Tagen durchtrocknet. Danach werden die einzelnen Formpartien mit der gewünschten Farbe lasiert (Lokalfarbe). Die Lokalfarben können durch mehrfachen lasierenden Auftrag von Schichten, die jedes mal trocknen müssen, vertieft werden. Die Untermalung soll immer durchscheinen, es darf also nicht oder nur sehr vorsichtig mit Körperfarbe, d.h. mit Weiß vermischter Farbe, gemalt werden. Schließlich können die Licht- und Schattenformen noch durch Spitzen vertieft und damit das Bild vollendet werden. Maltechnisch gesehen ist die Farbgebung der einfachere Malvorgang. Grundsätzlich gilt, dass die Farbgebung umso leichter und müheloser gelingt je kräftiger und vollkommener die Untermalung ist.
Da alle Malschichten jeweils durchtrocknen müssen, kann das Malen eines Bildes in der hier beschriebenen Technik der Mehrschichtmalerei sehr lange, bis hin zu vielen Monaten oder sogar Jahren dauern.